Plakat Gedenkstunde

Initiative für ein Museum zur Geschichte und Entwicklung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur mit Standort Dresden unterstützen

ANTRAG – Interfraktionell:
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, CDU-Fraktion, Fraktion DIE LINKE, SPD-Fraktion, FPD-Fraktion

Beschlussvorschlag:

  1. Der Stadtrat Dresden unterstützt die Bestrebungen der Jüdischen Gemeinden in Sachsen ein Jüdisches Museum in Dresden zu errichten. Das Museum soll ein öffentlicher, lebendiger Ort sein, der für Publikumsverkehr gut zugänglich ist und auch bereits bestehenden Kulturinitiativen eine Bühne bietet.
  2. Der Stadtrat Dresden befürwortet Dresden als Standort für ein solches überregionales Museum in Trägerschaft einer geeigneten Institution. Das Museum soll die Geschichte jüdischer Menschen im historischen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen erzählen, und darüber hinaus auch die Geschichte jüdischer Menschen im heutigen Polen und Tschechien dokumentieren. Insofern nimmt es eine europäische Perspektive ein.
  3. Am Alten Leipziger Bahnhof ist in Bezugnahme auf das städtische Konzept für Erinnerungskultur unabhängig vom Standort des zu gründenden Museums ein angemessener Erinnerungsort zum Gedenken an die Schoa zu errichten.
  4. Der Oberbürgermeister wird dazu beauftragt,
    a. zeitnah mit dem Freistaat und dem Bund, sowie dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Sachsen Gespräche zu einem Jüdischen Museum zu führen;
    b. zu prüfen an welchem Standort ein Jüdisches Museum in Dresden errichtet werden könnte. In die Prüfung aufgenommen werden sollten bspw. die historischen Gebäude des Alten Leipziger Bahnhof, das ggf. wieder zu errichtende Palais Oppenheim oder ein anderer authentischer Ort;
    c. sobald sich das Vorhaben der Museumsgründung konkretisiert, eine Steuerungsgruppe aus Stadtrat, Vertreterinnen oder Vertretern der jüdischen Gemeinde und jüdischen Kulturvereinen sowie der Verwaltung zu bilden und dem Ausschuss für Kultur und dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Bau regelmäßig die Verfahrensstände zu berichten.

Beratungsfolge

Ältestenrat
06.07.2020
nicht öffentlich
beratend

Dienstberatung des Oberbürgermeisters
nicht öffentlich
zur Information

Ausschuss für Kultur und Tourismus (Ei-genbetrieb Heinrich-Schütz-Konservatorium)
nicht öffentlich
1. Lesung (federführend)

Stadtbezirksbeirat Neustadt
öffentlich
beratend

Stadtbezirksbeirat Pieschen
öffentlich
beratend

Stadtbezirksbeirat Altstadt
öffentlich
beratend

Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften
nicht öffentlich
beratend

Ausschuss für Kultur und Tourismus (Ei-genbetrieb Heinrich-Schütz-Konservatorium)
nicht öffentlich
beratend (federführend)

Stadtrat
öffentlich
beschließend

Begründung:

Eine zivilgesellschaftliche Initiative bemüht sich seit längerem um die Etablierung eines Jüdischen Museums für Sachsen, welches die Geschichte jüdischer Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen dokumentiert und gleichzeitig als Kultur- und Begegnungsort fungiert. Unterstützt wird die Initiative neben den Jüdischen Gemeinden auch durch den Beauftragten für jüdisches Leben in Sachsen, Dr. Feist.

Das Museum sollte folgende historische Zeiträume darstellen:

a) die lange Geschichte jüdischer Menschen in Sachsen, Anhalt, Thüringen, Böhmen und Schlesien sowie weiteren Gebieten des heutigen Polen
b) den Beitrag der jüdischen Gesellschaft zu Wissenschaft, Kultur und Industrialisierung
c) Jüdische Bürgergesellschaft von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert
d) die Schoa von 1933 bis 1945
e) die Entwicklung der jüdischen Gemeinden in der ehemaligen SBZ/ DDR bis 1990
f) die Gemeinden nach der „Friedlichen Revolution“ bis heute.

Am Ende soll dauerhaft ein Jüdisches Museum für Sachsen entstehen, welches jüdisches Leben in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und in den böhmischen und schlesischen Gebieten dokumentiert und somit zur Bildung, interreligiösen und interkulturellen Verständigung und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beiträgt.

Das jüdische Museum Sachsen in Dresden kann so einen wichtigen Beitrag zu politischer und kultureller Bildung leisten. Das Konzept des Museums soll in enger Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden Sachsen und in Zusammenarbeit mit dem Jubiläumsjahr 2021 – „1700 Jahre jüdisches Leben in Sachsen“ erfolgen.

Das Museum kann die bisher schwerpunktmäßig in Westdeutschland bestehenden jüdischen Museen um eine ostdeutsche Perspektive ergänzen.
Neben dem ggf. wieder zu errichtenden Palais Oppenheim ist auch der Alte Leipziger Bahnhof als geeignete Option zu prüfen.
Das Palais Kaskel-Oppenheim im ehemals Englischen Viertel an der Bürgerwiese 9, 11 wurde 1845 bis 1848 von Gottfried Semper im Auftrag des der jüdischen Familie Oppenheim entstam-menden Bankiers Martin Wilhelm Oppenheim (1781 – 1863) errichtet. Die Vornamen Martin Wilhelm hatte Oppenheim erst zu seiner Taufe 1826 angenommen und seine bisherigen Vornamen Mendel Wolff abgelegt. Nach Oppenheims Tod wurde die Villa an Hermann Christian von Kapher verkauft, der sie nach sechs Jahren 1869 wiederum an den einer anderen Familie Oppenheim entstammenden Simon von Oppenheim veräußerte. Die Brüder Abraham und Simon Oppenheim waren bedeutende Finanziers der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und engagierten sich für die jüdische Emanzipation. Das Bauwerk wurde 1945 zerstört und später obwohl aufbauwürdig abgetragen. Die Geschichte des Architekten Semper, der auch die während der Pogromnacht 1938 zerstörten Synagoge am Hasenberg errichtet hatte sowie die Ge-schichte der Eigentümer und ihr Wirken in der Stadtgesellschaft Dresdens enthalten beispielhaft Bezüge zur deutsch-jüdischen Geschichte in Dresden und darüber hinaus.

Der Alte Leipziger Bahnhof als historischer Ort der Industriegeschichte erinnert an die Eröffnung der ersten Fernbahnstrecke 1839 in Sachsen. An der Industrialisierung Sachsens und an der Errichtung der Fernbahnstrecke waren nicht zuletzt auch jüdische Unternehmer und Kaufleute maßgeblich beteiligt. Das Baudenkmal ist aber auch Teil der Holocaust-Geschichte, denn von hier aus fuhren in Dresden ab 1942 die Züge in die Vernichtungslager im Osten. Bis heute erinnert nichts am Alten Leipziger Bahnhof an diesen Teil der Geschichte. Vor diesem Hintergrund ist ein geeignetes Gedenkkonzept am historischen Ort zu etablieren. Das Gelände wurde seitens der Deutschen Bahn an einen privaten Investor verkauft. Die Deutsche Bahn sollte konzeptionell eingebunden werden, auch um ihre Verantwortung als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn einzubringen.

Christiane Filius-Jehne, Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Tina Siebeneicher, Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Peter Krüge, CDU-Fraktion

André Schollbach, Fraktion DIE LINKE.

Dana Frohwieser, SPD-Fraktion

Holger Zastrow FDP-Fraktion

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