Schule mit Schulhof

Innovationsfeindliche Stadtverwaltung verantwortlich dafür, dass die Universitätsschule 2018 nicht startet

12. April 2018

Interfraktionellen Stellungnahme der Fraktionen DIE LINKE und SPD

Unseriöse Schlagzeilen, eine von eigenen Interessen gesteuerte Stadtverwaltung, die sich weigerte, mit großer Mehrheit im Stadtrat beschlossenen Aufträgen nachzukommen, bewusste Falschinformationen.

„Keine Experimente mit Schülern!“ – „Migranten werden aus der 101. Oberschule gejagt.“ – „Schulleiterin sagt Konkurrenzschule den Kampf an.“

So wird in der Stadt Dresden ein innovatives Bildungsprojekt behindert, ein Konzept einer besonderen Schule für die Zukunft. Dabei handelt es sich um eine Schule, die alles, nur nicht besonders sein will. Eine Schule für alle, für Kinder mit Handicap und solche ohne, für Kinder deutscher Muttersprache wie solche aller anderen Sprachen, für Kinder alleinerziehender Elternteile in Hartz-IV-Bezug und solchen von Anwaltsfamilien. Eine Schule, die nicht Wissen paukt, sondern Kindern hilft, die Welt zu erobern und zu verstehen. Eine Schule, die Wissen nicht mehr auf Schulbücher begrenzt, sondern lehrt, das unendliche Wissen in der digitalen Medienwelt sensibel zu nutzen und kritisch zu hinterfragen. Eine Schule, in der die Lehrer/innen nicht das archimedische Prinzip erklären, sondern sich Schüler/innen in kleinen Lerngruppen im Projekt „Ein Floss bauen, mit dem wir über die Elbe fahren, ohne nass zu werden“ physikalisches, technisches, mathematisches Grundwissen erarbeiten, verstehen und anwenden und dabei auch noch im Team arbeiten. Eine Schule von der 1. bis zur 10. Klasse, an deren Ende die mittlere Reife und der Übergang in den Beruf stehen. Eine Schule, in der Kinder unterschiedlichen Alters miteinander arbeiten und lernen. Eine moderne Schule für eine moderne Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Eine Schule, wie es sie in Dresden offenbar nur in freier Trägerschaft geben kann, als staatliche Schule von der Stadtverwaltung und dem Beigeordneten nicht gewollt, vom Oberbürgermeister nicht aktiv genug unterstützt. Sehr schade, armes Dresden.

Eine Stadt, deren Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung genauso wie ihre Exzellenzuniversität auf Innovation fußt, verteidigt die Schule des 19. Jahrhunderts. Dabei braucht sie als Schulträger vor allem Mut zu moderner Schulentwicklung.

Nun also kein Start 2018 und kein Start am Standort Johannstadt. In der Woche der Schulanmeldungen der erste Informationselternabend durch die Stadt – nun Klage über zu wenig Anmeldungen (über 50 waren es Mitte März) und die Behauptung, es sei kein Platz im Gebäude der 101. Oberschule für beide. Einen Monat nach der Kampfansage der Schulleiterin der 101. Oberschule, Frau Dressel-Zagatowski, in der Sächsischen Zeitung. Eine Leserin der SZ und Mutter
einer Schülerin der Schule kommentierte den Artikel „…Mit diesem Interview hat Frau Dressel-Zagatowski weder den Kindern noch ihrer Schule geholfen. … Ist dieses Interview rein zufällig heute erschienen? Ein Schelm wäre diejenige, den Verantwortlichen hier eine böse Absicht unterstellt, oder? Das Konzept der Universitätsschule Dresden ist aktuell das innovativste Schulprojekt in der Bundesrepublik. Jeder der in den offiziellen Veranstaltungen gewesen ist, konnte leicht erkennen, welche Chancen sich für seine eigenen Kinder und für Dresden ergeben. Leider konnte ich in den Veranstaltungen deutlich spüren, dass die Ämter diese Innovation nicht wollen. Sehr schade! Armes Dresden!“

Große Potenziale für den interkulturellen Bildungsstandort – mit Falschinformationen und Arbeitsverweigerung zum Schaden aller verhindert

Der Schulversuch ist vom Kultusministerium genehmigt, er wird nun wohl aber nicht am Standort Johannstadt durchgeführt, wo er der Entwicklung des geforderten interkulturellen Bildungsstandortes dienen sollte. Zuletzt hatte es bereits über 50 Anmeldungen gegeben, täglich gab es weitere Interessenten/-innen. Mehr als zwei Jahre haben die Initiatoren/-innen, Lehrer/innen und Wissenschaftler/innen, am Konzept gearbeitet. Im Januar 2017 hatte der Stadtrat den ersten Auftrag an den OB beschlossen, aber nichts wurde seitens der Stadtverwaltung getan.

Im Mai 2017 hatten die Schulleiterin, Eltern, Hort und Sozialarbeit von 102. Grundschule, die Schulleiterin der 101. Oberschule und der Quartiersmanager ein Positionspapier unterzeichnet, welches sprach von „…große Potenziale für die Entwicklung eines interkulturellen Bildungsstandortes, der im Zusammenwirken mit dem internationalen Wissenschafts- und Forschungsstandort Johannstadt eine weit über den Stadtteil hinaus ausstrahlende Wirkung entwickeln kann“.

Dana Frohwieser, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion:

Das Positionspapier war geradezu ein Aufruf, die Universitätsschule in der Johannstadt einzurichten. Eine nur zur Hälfte ausgelastete Oberschule, eine Grundschule mit über 60% Kindern mit Migrationshintergrund in einem Stadtteil mit 12% Ausländeranteil und weiteren 7% Deutschen mit Migrationshintergrund (2016, Johannstadt Nord), bei den unter 18-Jährigen sind es je 18%. Das war eine riesen Chance, drei Schulen zu helfen, dieser interkulturelle Bildungsstandort zu werden. Dabei ging es nie darum, eine Schule zu schließen, nichts dergleichen wurde je beschlossen, kein einziges Kind, keine Lehrerin hätte den Standort verlassen müssen. Hier wurde bewusst falsch informiert, also gelogen – zum Schaden des Schulstandortes Pfotenhauer Straße. Der Vorwurf, die Unischule hätte die Angebote der 101. Oberschule kaputt gemacht, ist absurd. Gleichzeitig will das Schulverwaltungsamt die halb so große benachbarte 102. Grundschule mit vier ersten Klassen und insgesamt 400 Kindern vollstopfen, das ist doch nicht vermittelbar. Aber der Plan der Stadtverwaltung, der Oberschule einen Neubau an der Cockerwiese zu errichten, war wohl doch verlockender als ein modernes Unterrichtskonzept IN der Johannstadt.“

Schlechte Anmeldezahlen – schon seit Jahren an der 101. Oberschule. 400 Schüler/innen in einer Schule für 750 bekommen nichts weggenommen – neues Modell für modernes Lernen verhindert

Die 101. Oberschule bietet Platz für 750 Oberschüler/innen in 30 Klassen, unterrichtet derzeit jedoch 434 Schüler/innen in 19 Klassen und zwei DAZ-Vorbereitungsklassen. Sie können dafür 29 Klassenzimmer nutzen, 18 Fachkabinette. 16 weitere Unterrichtsräume werden hier für andere Angebote genutzt, die anderen Schulen nicht zur Verfügung stehen, u.a. 5 Räume für die Schülerfirma und den Schülerclub, 4 für die Bibliothek, 4 Räume sind ungenutzt oder Schulbuchlager.

Dieser Sieg einer konservativen Verhinderungsmacht ist zum Schaden von 101. Oberschule und 102. Grundschule.

Anja Apel, DIE LINKE:

Sehr schade, ich wollte die bestmögliche Schule in dem multikulturellen Standort Johannstadt, eine wirkliche Verbesserung für den Schulstandort. Ganz sehr hoffe ich, dass die TU Dresden trotzdem einige der schon geplanten Projekte mit der 102. Grundschule durchführt. Die Stadtverwaltung hat über ein Jahr Entscheidungen verschleppt und das Projekt als kommunale Schule nie wirklich befördert. Wir haben in Dresden keine frei verfügbaren Schulgebäude mit funktionierendem Brandschutz. Da haben auch die Investitionen der letzten drei Jahre von jeweils 150 Millionen Euro noch nicht viel bewirken können. Ein Schulgebäude gedacht für eine fünfzügige Oberschule, an der sich in den letzten Schuljahren stets nur um die 40 Schüler*innen angemeldet haben statt 125, können wir uns derzeit einfach nicht erlauben. Dresdens Schulen sind voll, übervoll, vollgestopfte Klassen mit 28 Kindern, Schulen, die mehr Züge aufnehmen müssen, als ihre Kapazitäten hergeben. Gerade demonstrieren die Eltern der 116. Oberschule dagegen, dass auf dem Schulhof Container aufgestellt werden sollen, um dort die Kapazitäten zu erweitern. Deswegen wählten wir die 101. Oberschule zur Vorgründung der Universitätsschule. Aber Schulleiterinnen und auch Ortsbeirat sagten damals unbedingt, dass die Schule nicht nur vorgegründet wird, sondern dauerhaft dort bleibt, um den Bildungsstandort zu entwickeln. Sie haben uns damals überzeugt. Das macht die Enttäuschung heute umso größer.“

Wir unterstützen das Projekt weiterhin und begrüßen ausdrücklich, wenn es spätestens 2019 startet. Und wir werden alles dafür tun, dass es in Dresden und in kommunaler Trägerschaft startet.

Wir sind weiterhin von dem Konzept überzeugt. Der Oberbürgermeister muss das Thema jetzt zur Chefsache machen und nach sinnvollen Alternativen für eine Umsetzung suchen. Bürgermeister Vorjohann sagt seit Anfang 2017, wenn er genug Zeit hätte, habe er für alles gute Standortvorschläge. Dann müssen die auf den Tisch. Und es muss auf den Tisch, wie die 101. Oberschule am Standort Johannstadt gehalten und so aufgewertet werden kann, dass sie ihre volle Zügigkeit entfalten kann. Es muss die Vorlage auf den Tisch für die Schulneubauten auf der Bodenbacher Straße und der Boxberger Straße für Gymnasium Ost und Berufsschulzentrum Franz Ludwig Gehe. Wir sind bereit, ihn sofort mit allen notwendigen Beschlüssen zu unterstützen. Das Projekt Universitätsschule ist im Interesse von Dresdner Schulkindern in der Wissenschaftsstadt Dresden. Es ist ein zeitgemäßes pädagogisches Konzept, welches die gesellschaftlichen Veränderungen beachtet und Kinder und Jugendliche auf die vielen Herausforderungen vorbereitet. Bürokratische Hürden, unsachliche Kommunikation und einzelne Verwaltungsmitarbeiter dürfen in einem modernen und weltoffenen Dresden nicht länger über demokratischen Mehrheitsbeschlüssen stehen, sondern jetzt muss zügig und konstruktiv eine Lösung für diese Standorte von der Verwaltung vorgelegt und im Stadtrat beschlossen werden,“ so die beiden Stadträtinnen abschließend.

 

 

Kontakt:

Dana Frohwieser
Bildungspolitische Sprecherin
Dana.Frohwieser@spd-fraktion-dresden.de

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