Mehrere Menschen mit gelben Warnweten von hinten fotografiert

Dresden für eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe – Mehr Verantwortung braucht mehr Gehalt

ANTRAG
SPD-Fraktion

Aktueller Stand im Ratsinfosystem

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich in der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) dafür einzusetzen, dass in den laufenden Tarifverhandlungen in den Sozial- und Erziehungsdiensten zwischen ver.di und VKA umgehend ein Angebot der Arbeitgeber unterbreitet wird, das:

  • eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen (z.B. durch Erhöhung der Vorbereitungszeit, Einführung von Entlastungstagen, Schaffung verbindlicher stellvertretender Kita-Leitungen in allen Einrichtungen),
  • Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel (z.B. Rechtsanspruch auf Qualifizierung für alle Beschäftigten, Qualifizierung und angemessene Vergütung von Praxisanleitung) und
  • finanzielle Anerkennung der Arbeit durch eine bessere Eingruppierung der Beschäftigten

enthält.

Der Oberbürgermeister wird infolgedessen weiterhin beauftragt, daraus entstehende Mehrbedarfe bereits bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2023/2024 durch die Verwaltung einzuplanen.

Der Oberbürgermeister wird auch in diesem Zusammenhang noch einmal damit beauftragt, sich gemeinsam mit den anderen sächsischen Kommunen und Landkreisen gegenüber dem Freistaat Sachsen für eine Anhebung des Landeszuschusses nach §18 SächsKitaG einzusetzen, die die Kommunen in die Lage versetzt, die Qualität der Kindertagesbetreuung und damit verbunden die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten weiter zu verbessern, ohne Familien finanziell zu belasten.

 

Beratungsfolge Plandatum    
Ältestenrat 14.03.2022 nicht öffentlich beratend
Dienstberatung des Oberbürgermeisters 15.03.2022 nicht öffentlich beratend
Stadtrat 24.03.2022 öffentlich beschließend

Begründung:

Gerade die Landeshauptstadt Dresden steht in dieser Tarifauseinandersetzung in einer besonderen Verantwortung – auch gegenüber den Eltern – und muss gemeinsam mit den anderen Kommunen und Landkreisen für eine schnellstmögliche Lösung des Tarifkonflikts sorgen. Die Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsberufen haben diesen Tarifstreit pandemiebedingt für zwei Jahre ausgesetzt. Genau diese Berufe stehen nach 2015 nun erneut vor der Herausforderung, sich um eine Vielzahl traumatisierter, vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteter Kinder und Jugendlicher zu kümmern. Der Warnstreik am 08.03.2022 war Folge des mangelnden Angebots der Arbeitgeberseite ist, auf welches die Beschäftigten mit diesem Warnstreiktag reagieren. Diese Tarifauseinandersetzung in den Sozial- und Erziehungsberufen ist kein klassischer Lohnkampf. Die Forderungen der Beschäftigten beziehen sich auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und eine der Bedeutung der Tätigkeit angemessene Anerkennung und Bezahlung – kurz: auf eine Verbesserung der Qualität von Kindertagesbetreuung, Sozialarbeit und Arbeit mit Menschen mit Behinderung.

Die Sozial- und Erziehungsberufe (Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Beschäftigte in der Behindertenhilfe) gehören neben Polizei, Feuerwehr und medizinischem Pflegebereich zu den Berufen im öffentlichen Sektor mit dem höchsten Ansehen in der Bevölkerung (Quelle: DBB). In den vergangenen zwei Corona-Jahren mussten gerade diese „systemrelevanten“ Beschäftigten massive Arbeitsbelastungen und besondere Gesundheitsrisiken in Kauf nehmen. Dafür erhielten sie viel Beifall. Gleichzeitig werden jedoch gerade sie – 80 Prozent der Beschäftigten hier sind Frauen – im Tarifgefüge des öffentlichen Dienstes unterdurchschnittlich eingruppiert. Im Sommer 2019 sollten – so die Vereinbarung der Tarifpartner – die Eingruppierungen evaluiert und weiterentwickelt werden. Pandemiebedingt wurden die Verhandlungen darüber im März 2020 jedoch abgesagt. Zwei Jahre lang haben die Beschäftigten Rücksicht genommen und den Kampf um ihre berechtigten Interessen der pandemischen Situation untergeordnet. Gleichzeitig hat die Pandemie die Anforderungen und den Druck im Bereich der sozialen Arbeit und der Erziehungsarbeit immer weiter erhöht. Probleme, die es bereits vor Corona gab, haben sich weiter verfestigt und verstärkt: Fachkräftemangel, hohe Teilzeitquote aufgrund der hohen Arbeitsbelastung, Krankenstände und eine Betreuungssituation in den Einrichtungen, die weder dem pädagogischen Anspruch, noch den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen gerecht wird.

Derweil sorgen sich die Arbeitgeber um die kommunalen Haushalte – hier sind Bund und Länder in der Pflicht. Und sie sorgen sich um das tarifliche Gesamtgefüge im öffentlichen Dienst. Aber genau darum geht es: Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe, in denen zu 80 Prozent Frauen arbeiten. Die Aufwertung ist längst überfällig. Hier geht es um die Frage: Wie viel Geld ist unserer Gesellschaft die Arbeit von Erzieher:innen, von Sozialarbeiter:innen wert? Wie viel ist gute Arbeit, gute Betreuung und gute Bildung von und mit Kindern und Jugendlichen wert?

Und die kommunalen Arbeitgeber sorgen sich darum, dass eine solche tarifliche Aufwertung auch eine tatsächliche Erhöhung der Anforderungen an die Tätigkeit bedingen müsse. Hier unterliegt sie aber einem Fehlschluss. Diese Tätigkeiten haben bereits ein deutlich höheres Anforderungsniveau, als es in der tariflichen Eingruppierung abgebildet wird. Sozialarbeiter:innen haben für ihre Tätigkeit ein Studium absolviert und sollen Berufen mit vergleichbaren Studienniveaus gleichstellt werden (beim Berufseinstieg verdienen sie durchschnittlich 300 Euro weniger als vergleichbar qualifizierte Beschäftigte in der Tarifgruppe E11). Erzieher:innen verdienen nach einer fünfjährigen (!) Ausbildung in etwa so viel wie einfach Sachbearbeiter:innen, Lohnbuchhalter:innen, Gebäudetechniker:innen (in der Tarifgruppe E8). Ausgebildete Kinderpfleger:innen/ Sozialassistent:innen in der Entgeltgruppe S3 steigen mit 2.500 Euro brutto bei Vollzeit in den Beruf ein.

Dass Eltern in Dresden weder durch (Warn-)Streiks, noch durch Verbesserungen in der Betreuungssituation in den Kitas durch (steigende) Elternbeiträge belastet werden sollen, hat der Stadtrat a) durch die Regelung der Beitragsrückzahlung bei Schließtagen geregelt und strebt er b) durch die Beschlussfassung über eine neue Elternbeitragssatzung aktuell an. Dass hier natürlich aber auch der Freistaat in der Verantwortung steht, für eine angemessene Entlastung der kommunalen Haushalte zu sorgen, dass diese nicht auf dem Rücken der Beschäftigten konsolidiert werden, muss immer wieder betont werden.

Dana Frohwieser
Vorsitzende der SPD-Fraktion Dresden

 

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