REDE VON DANA FROHWIESER IN DER STADTRATSSITZUNG AM 3.3.2022 ZUR UKRAINE RESOLUTION
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrte Zuhörer:innen,
erlauben Sie auch mir, im Namen meiner Fraktion ein paar persönliche Wort zu sagen.
Wir sprechen in den letzten Tagen viel von einer Zeitenwende, die wir gerade erleben. Als Vorsitzende der SPD-Fraktion ist „Nie wieder!“ für mich niemals eine bloße Worthülse gewesen. Sie war und ist unsere Verpflichtung. Sie hat seit dem 24. Februar 2022 noch einmal an Gewicht gewonnen.
Am Morgen des 24. Februar 2022 fühlte ich mich zurück versetzt an den Morgen des 17. Januar 1991. Ich war damals noch eine naive, jugendliche Schülerin. Wir wachten an diesem Morgen auf und hatten Angst. 5 Monate zuvor waren irakische Truppen in Kuweit einmarschiert. Es folgten mehrere UN-Resolutionen und ein Ultimatum der UN-Mitgliedsstaaten an den irakischen Diktator zum Abzug aus Kuwait, das dieser verstreichen ließ. In der Nacht zum 17. Januar griff ein Militärbündnis aus 34 Staaten in Kuwait ein. Wir Jugendlichen, die wir im Kalten Krieg aufgewachsen waren mit der ständigen Bedrohung eines Atomkrieges fürchteten an diesem Morgen einen militärischen Flächenbrand. Wir hatten Angst vor einem Weltkrieg. Wir klingelten unsere Mitschüler:innen aus den Betten und fuhren ins Stadtzentrum. Wir hatten keine Ahnung, wie Demonstrationen funktionieren, von Demonstrationsanzeigen oder Regelwerken. Wir blockierten auf dem Pirnaischen Platz die Straßen und standen mit selbst gemalten Schildern wie „Make love not war“ vor der Kreuzkirche. Wir wussten nur: Wir haben Angst vor einem Weltkrieg.
Zurück in der Schule gab es riesen Ärger, aber vor allem gab es einen verständnisvollen, klugen Gemeinschaftskundelehrer, der sich die Zeit nahm, mit uns über unsere Sorgen zu sprechen, über die verschiedenen Seiten dieses Krieges und welche Historie zu diesem geführt hatte. Und darüber, was man tun kann. Diese Tage haben mich als Jugendliche politisiert. Und sie haben mich schließlich in die SPD geführt. Seit diesen Tagen hatte „Nie wieder!“ eine andere, tiefere, innere Bedeutung für mich. Von diesen Tagen an hatte ich einen anderen Blick auf die dramatische Geschichte unserer Stadt, auf Daten wie den 09. Mai 1849, den 08. März 1933, den 21./22. Januar 1942, den 27. Januar 1945, den 13/14. Februar.
Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit, die Würde des Menschen und Gleichstellung aller Bürger:innen in einem Europa ohne Binnengrenzen – das war für uns alle für eine so lange Zeit eine Gewissheit. Eine Gewissheit und ein Privileg, die es seit dem 24. Februar 2022 so nicht mehr gibt. Als Mutter hatte ich gehofft, meinen Kindern niemals erklären zu müssen, dass Frieden etwas so Zerbrechliches ist. Dass Krieg etwas ist, dass es auch hier in unserem privilegierten Europa geben kann. Die Bilder von Menschen in U-Bahnhöfen, von Babys, die in Kellern geboren werden und Kindergärten, die aus Angst vor Bomben in Keller verlegt wurden, von Kindern, die sich an Bahnhöfen weinend von ihren weinenden Vätern verabschieden… Diese Bilder sind nicht mehr oder weniger schlimm, wenn sie aus Syrien, aus Afghanistan oder aus der Ukraine über unsere Bildschirme flimmern. Und ich wünsche mir, so wie wir unsere Herzen und unsere Solidarität jetzt den Ukrainer:innen schenken, dass wir sie allen Menschen auf der Flucht wo auch immer auf der Welt schenken.
Jetzt braucht die Ukraine unsere Unterstützung. Die Waffen müssen schnellstmöglich wieder schweigen. Es gilt, die Unabhängigkeit der Ukraine zu erhalten und den Frieden wiederherzustellen.
Wir haben in dieser Stadt in den letzten Jahren viel gestritten, weil viel zu viele Menschen nicht sehen wollten, wie rechtsnationales und rechtsextremistisches Gift die Wurzeln unserer Demokratie bedroht. Jetzt erleben wir einen Despoten Putin, der von vermeintlicher Entnazifizierung spricht, um einen Angriffskrieg, Putins Krieg, zu rechtfertigen. Den Krieg eines Regimes, das in ganz Europa Rechtsnationale und Rechtsextreme, wie in Deutschland die AFD, unterstützt. Das in der Ukraine einen frei gewählten, jüdischen Präsidenten stürzen will. Dieser Krieg Putins in der Ukraine legt auch die Widersprüche in unserer Gesellschaft, in unserem Denken und Handeln offen. Er lässt uns unsere eigenen Glaubenssätze hinterfragen. Jetzt ist klar: Europa muss seine Demokratie und Freiheit wirksam verteidigen können – außen wie innen.
Wohin das führt, sehen wir heute in der Ukraine. ABER: Diese Solidarität, die wir heute der Ukraine und den Ukrainer:innen entgegenbringen, schweißt die Demokratien dieser Welt zusammen. Dieser Krieg Putins schweißt die Demokratien und die Demokrat:innen dieser Welt zusammen. Und er wird die Demokratie in der Ukraine, in Europa und in der Welt stärken. Denn unsere Kinder sollen – hier in Dresden, in Kiew, in Breslau, in St. Petersburg, in Kabul, in Aleppo – in Frieden und Freiheit aufwachsen. Deshalb wird Putin verlieren.
Stand with Ukraine!“