spielendes Kind

Gute Fachkräfte für den Eigenbetrieb Kita durch faire Arbeitsverträge – Abschaffung der 32-Plus-Arbeitsverträge (sog. Flex-Verträge)

ANTRAG
SPD-Fraktion

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Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt:

  1. Unverzüglich für eine Beendigung des 32-Plus-Arbeitsvertragsmodells im Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen zu sorgen und keine Neuverträge mit diesem Modell mehr abschließen zu lassen.
  2. Bestehende 32-Plus-Arbeitsverträge sind entsprechend der Wünsche der Beschäftigten schrittweise bis 31.12.2024 auf Festverträge bezüglich der Arbeitszeit anzupassen. Vollzeitarbeitsverträge sollen hierbei grundsätzlich die Regel bilden. Das Recht der Beschäftigten auf Teilzeit oder befristete Teilzeit mit Rückkehrrecht zur Vollzeit (Brückenteilzeit) nach Teilzeit- und Befristungsgesetz bleibt davon unberührt. Die Beteiligung des Personalrates ist sicherzustellen.
  3. Dem Ausschuss für Bildung (Betriebsausschuss des Eigenbetriebs Kindertageseinrichtungen) ist bis 31.12.2022 ein Modell zum Beschluss vorzulegen, wie zukünftig typische Schwankungen der Kinderzahlen im Jahresverlauf ausgeglichen und gleichzeitig Einstellungskorridore für junge Nachwuchsfachkräfte nach Abschluss des Ausbildungsjahres gesichert werden können, die für eine zukunftsfähige Altersdurchmischung beim Personal sorgen.
  4. Mögliche finanzielle Auswirkungen sind bis 31.12.2022 darzustellen und bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes des Eigenbetriebes zu berücksichtigen.

 

Beratungsfolge

Plandatum    
Ältestenrat   nicht öffentlich beratend
Dienstberatung des Oberbürgermeisters   nicht öffentlich beratend
Ausschuss für Bildung (Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen)   nicht öffentlich 1. Lesung         (federführend)
Ausschuss für Allgemeine Verwaltung, Ordnung und Sicherheit (Eigenbetrieb IT-Dienstleistungen)   nicht öffentlich beratend
Ausschuss für Bildung (Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen)   nicht öffentlich beratend             (federführend)
Stadtrat   öffentlich beschließend

 

Begründung:

In Zeiten eines eklatanten Fachkräftemangels haben Arbeitsvertragsmodelle, die wirtschaftliche Risiken eines Unternehmens allein auf die Beschäftigten abwälzen, ausgedient. Das 32+x Wochenstunden-Modell im Eigenbetrieb Kita der Landeshauptstadt Dresden ist ein Negativbeispiel von Alleinstellungsmerkmal. Wenn deutschlandweit und auch im Dresdner Umland händeringend Erzieher:innen gesucht werden und unbefristete, tarifgebundene Vollzeitarbeitsverträge angeboten bekommen, gerät die Landeshauptstadt mit ihrem unattraktiven Arbeitsvertragsmodell ins Hintertreffen. 1 ½ Jahre nach dem Beschluss des Stadtrates, dieses Modell zu ändern, muss festgehalten werden, dass seitens des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung sowie der Amts- und Eigenbetriebsleitung kein Interesse an einem Modell besteht, welches Planungssicherheit aber gleichzeitig Flexibilität für beide Seiten (Arbeitgeberin und Beschäftigte) bietet.

Der Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 17.12.2020 mit der Vorlage V0561/20 beschlossen:

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, wie ein geändertes Personalmodell für den Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen entwickelt werden kann, das den negativen Effekt der Fluktuation für die Betreuungssituation der Kinder sowie für die Erzieher:innen und Leiter:innen durch die sogenannten Flex-Verträge (oder kapazitätsorientierten Arbeitsverträge) reduziert, umgesetzt werden kann. Dieses neue Personalmodell und seine finanziellen Auswirkungen für den Verlustausgleich der Stadt Dresden im Wirtschaftsplan des Eigenbetriebes Kindertageseinrichtungen sind dem Stadtrat bis zum 4. Quartal 2021 zum Beschluss vorzulegen.“

In der bisher einzigen Berichterstattung vom 23. Dezember 2021 heißt es lapidar: „Die Thematik des Beschlusspunktes wird derzeit geprüft.“ Bekannt ist bisher nur (Stand Juni 2022), dass der Eigenbetrieb Kindertagesstätten eine Befragung der Mitarbeiter:innen zum jeweils präferierten Vertragsmodell plant.

In seiner Antwort auf das Anfrageersuchen von Stadträt:innen nach §28 Abs. 5 Satz 1 SächsGemO vom 10. März 2022 führt der Oberbürgermeister aus: „Aus unserer Erfahrung ist die Vertragsgestaltung seltener problematisch, als die tatsächliche Umsetzung der Personaleinsatzplanung, insbesondere in Kombination mit zwischenmenschlichen Konflikten.“ Genau dies ist der Knackpunkt am Dresdner Modell der sogenannten Flex-Verträge. Eine Reduktion der tatsächlichen Arbeitszeit von Erzieher:innen und Kita-Leiter:innen mit Ankündigungsfrist von 14 Tagen auf das Mindestmaß von 32 Stunden, wie zuletzt im Oktober 2020 erfolgt, führt für viele Beschäftigte zu großen Einkommensverlusten (im Schnitt 20 Prozent). Hinzu kommen häufig auch Einbußen bei der Jahressonderzahlung, deren Berechnungsgrundlage das durchschnittliche monatliche Entgelt der Kalendermonate Juli, August und September ist, wenn die Stundenreduzierungen in der Vergangenheit beispielsweise schon im August oder September erfolgt waren.

Zudem gehen mit den kurzfristigen und flächendeckenden Arbeitszeitreduzierungen für mehr als drei Viertel der Beschäftigten des Eigenbetriebs Kita massive Umsetzungen zwischen den Einrichtungen einher, die die pädagogische Beziehung zwischen Kindern und bekannter/ bekanntem Bezugserzieher:in zerstören. Denn die konkrete personelle Situation unterscheidet sich zwischen den einzelnen Einrichtungen und zwischen Krippe, Kindergarten und Hort massiv.

Die Landeshauptstadt Dresden muss als gute Arbeitgeberin ihren Beschäftigten finanzielle Sicherheit durch regelmäßiges Einkommen, Planbarkeit der Lebensgestaltung und Wertschätzung ihrer Arbeit entgegenbringen. Und sie ist den Kindern und Eltern verpflichtet, die eine hochwertige und verlässliche Betreuungssituation erwarten. Gleichwohl sollte der Eigenbetrieb Kita ein geeignetes, d.h. nicht einseitig zu Lasten der Beschäftigten ausgerichtetes, Modell finden, um typische Schwankungen der Kinderzahlen im Jahresverlauf (geringere Zahl der zu betreuenden Kinder zu Beginn eines jeden Schuljahres) auszugleichen (z.B. Jahresarbeitszeitkonten, Erweiterung der zulässigen aufbaubaren Mehr- und Minderstunden, Einsatz von Entlastungstagen, flexibler Personaleinsatz in Kooperationsringen von mehreren benachbarten Einrichtungen o.ä.).

 

Hintergrund:

 Im Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen ist der sogenannte 32-Plus-Vertrag für Erzieher:innen das vorherrschende Arbeitsvertragsmodell. Dieser erlaubt eine allein vom Eigenbetrieb zu bestimmende Anpassung der Stundenzahl im Rahmen von mindestens 32 bis maximal 40 Stunden. Die Beschäftigten, für die dies faktisch ein ständiges Arbeiten in Rufbereitschaft bedeutet, haben dabei kein Mitspracherecht. Aufgrund des seit Jahren vorhandenen Fachkräftemangels, unberücksichtigte Krankenstände und die Verschärfung der Situation durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie, arbeiten viele pädagogische Fachkräfte teils seit Jahren mit dem maximal möglichen Stundenumfang. Laut Anfrageantwort waren es im Oktober 2020 im Bereich Krippe und Kindergarten 1.638 Beschäftigte mit 32h+X-Vertrag und 593 Beschäftigte mit fest vereinbarter Arbeitszeit (davon 105 Vollzeit, 185 zwischen 32 und 39h und 303 weniger als 32h) und im Bereich Hort 650 32h+X-Verträge und 285 Beschäftigte mit Festvertrag (19 Vollzeit, 120 zwischen 32 und 39h und 146 weniger als 32h). Von einem überwiegenden Wunsch nach Teilzeitarbeitsverträgen im Bereich der Erzieher:innen kann also offenbar nicht ausgegangen werden.

Dana Frohwieser
SPD-Fraktion Dresden

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