Vincent Drews (Stadtrat der 7. Legislatur)

Demonstrationsgeschehen vom 11. Februar 2024 auswerten

Vincent Drews bittet um Auswertung des Demonstrationsgeschehens vom 11.Februar 2024 hinsichtlich des Gebots „Versammlungsfreiheit für alle“.

 

Einleitung:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

auch am 11. Februar 2024 wurde das Stadtgebiet von Dresden mit massiver öffentlicher Hilfe zu einem Aufmarschplatz für Faschistinnen und Faschisten aus Dresden und von außerhalb gemacht. Das kann nicht vordergründig den Verantwortlichen in Stadtverwaltung und Polizei angelastet werden. Das Versammlungsrecht gibt den Veranstaltenden Freiheit bei der Durchführung der Veranstaltung. Es ist unumgänglich, diese auch mit staatlichen Mitteln zu schützen. Zwar nicht vor friedlichem Gegenprotest, wohl aber vor Versuchen, die Kundgebung, mögen deren Inhalte noch so verabscheuungswürdig sein, zu sprengen oder zu unterbinden.

Gleichwohl sollte die Praxis von Versammlungsbehörde und Polizei kritisch hinterfragt werden, weil sie auch Rechtsgüter anderer beeinträchtigt. Kein Recht darf ohne Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durchgesetzt werden. Die Maßnahmen am 11. Februar 2024 waren mit erheblichem Aufwand verbunden. Schwerer wiegt noch, dass sie mit erheblichen
Grundrechtseinschränkungen einhergingen. Die Verkehrsbeschränkungen waren massiv und auch außerhalb der eigentlichen Kundgebungszeiten zu spüren. Auch das Recht zur friedlichen Gegenkundgebung wurde massiv eingeschränkt. Denn auch dieses besteht grundsätzlich ohne räumliche Begrenzung. In der Dresdner Praxis war es aber beispielsweise über Stunden nicht
möglich, die Petersburger Straße südlich des Georgplatzes zu betreten. Ob das noch den Anforderungen genügt, eine praktische Konkordanz zwischen den verschiedenen betroffenen Grundrechten herzustellen (vgl. zu diesem Ansatz Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2.12.2005, 1 BvQ 35/05, juris Rdnr. 27; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2020, 3 B 167/20; vom 17.03.2017, 3 B 82/17; vom 07.03.2016, 3 B 76/16), ist diskussionswürdig, auch wenn eine rechtliche Blaupause für die Dresdner Situation nicht vorhanden sein dürfte. Viele Dresdnerinnen und Dresdner können es aber nicht verstehen, viele Menschen im Rest der Welt auch nicht: Dass man über Stunden grundsätzlich glaubhaft ein Faschist oder eine Faschistin sein muss, um als friedlicher Gegendemonstrant oder auch als unbeteiligter Mensch weite Teile Dresdens betreten zu dürfen.

Als Unterstützung in dem notwendigen Prozess der Überprüfung bitte ich um Beantwortung folgender Fragen. Da Aufgaben der Versammlungsbehörde berührt sind, insbesondere die Fragen einer Versagung oder Beschränkung eines Aufzuges der Faschistinnen und Faschisten, hat sich die Landeshauptstadt Dresden als Versammlungsbehörde auch die angesprochenen Informationen zu verschaffen, die originär bei der Polizei vorliegen.

 

Fragen:

  1. Welche Straßen und Plätze sind in welchen Zeiten für den öffentlichen Verkehr gesperrt gewesen, um dem Aufzug (sog. „Trauermarsch“) der Faschistinnen und Faschisten einen Weg durch die Stadt zu gewährleisten?
  2. Welche Abstimmungen hat es dazu zwischen der Landeshauptstadt Dresden, insbesondere der Versammlungsbehörde, und der Polizei gegeben?
  3. Wie viele Absperranlagen (Gitter) waren dazu eingesetzt? Wann wurden diese angeliefert, wann aufgestellt?
  4. Wer hat hierfür die Kosten getragen? In welcher Höhe sind Kosten angefallen?
  5. Wie viele Polizeikräfte (Personal einerseits, Sachmittel wie Hubschrauber, Wasserwerfer, Räumpanzer, Einsatzfahrzeuge etc.) waren dazu eingesetzt? Welche Kräfte davon wurden aus anderen Bundesländern herbeigezogen?
  6. Wie viele Teilnehmende für den Aufzug waren vom Veranstalter erwartet worden? Wie viele haben tatsächlich teilgenommen?
  7. Wie viele Menschen haben an sog. Gegenkundgebungen (letztlich und richtiger Kundgebungen für Weltoffenheit, Versöhnung, Toleranz und Demokratie) teilgenommen?
  8. Welche rechtlichen Zwänge sieht die Stadtverwaltung, auch in Zukunft Aufmärsche wie den hier angesprochenen durchzusetzen (bitte einschlägige Rechtsnormen und Entscheidungen von Obergerichten nachprüfbar zitieren)? Welche Grenzen bestehen für den materiellen Aufwand, insbesondere aber auch die Grundrechtseinschränkungen derer, die nicht an dem Aufzug teilnehmen wollen oder sich dagegen wenden wollen?
  9. Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit die Kundgebung der Faschistinnen und Faschisten auf eine stationäre Kundgebung reduziert oder aber die Wegstrecke erheblich verringert werden kann?

 

Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen,

 

Vincent Drews

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