Erinnern ist Appell und Auftrag
Das Erinnern und Gedenken an historische Ereignisse und Personen unserer Stadt ist seit über 30 Jahren integraler Bestandteil unserer politischen Arbeit. Dabei wird uns die Frage, wie wir der Dresdner Erinnerungskultur und der damit einhergehenden Verantwortung als Stadt und Gesellschaft gerecht werden können, auch in Zukunft beschäftigen. Die Erinnerungs- und Gedenkkultur muss zu einem zentralen Baustein der städtischen Kulturpolitik aufgearbeitet und dauerhaft bespielt werden, so dass wichtige historische Ereignisse in den Blickpunkt der Erinnerung gelangen. Eine ehrliche Erinnerungskultur verlangt mehr als die Thematisierung von Barock und 13. Februar. Als weltoffene und demokratische Stadt sind wir dazu aufgerufen, uns der populistischen Verdrehung der Wahrheit und rechten Menschenverachtung entgegenzustellen. Es ist unsere Aufgabe, Ursache und Wirkung zu benennen und uns revisionistischen Mythen und Geschichtsverfälschung entgegen zu stellen.
Gegen das Vergessen!
Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.
Max Mannheimer 1920-2016, Holocaust-Überlebender
Geschichte wiederholt sich, wenn wir vergessen. Niemals dürfen wir vergessen, wozu Menschen fähig sind. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir in vielen Bereichen der Gesellschaft Populismus, Hetze, Ausgrenzung und Bedrohungen erleben, darf es ein Vergessen der Ursachen von Tod und Leid nicht geben. Es ist unsere moralische Pflicht, uns mit den dunklen Kapiteln unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Gedenktage wie der 9. November 1938, 27. Januar 1945 und 8. Mai 1945 erinnern an die Millionen Opfer des nationalsozialistischen Terrors und an das unfassbare Leid, das Deutschland über Europa und die Welt brachte. Diese Tage des Erinnerns mahnen uns, jeden Tag um unsere weltoffene und demokratische Gesellschaft zu kämpfen.
Stets Mahnung und Verpflichtung, für Frieden und ein vereintes Europa einzustehen und unsere Demokratie zu verteidigen, bleibt für uns auch der 13. Februar 1945. Dieser Tag hat sich so tief in die Geschichte der Sächsischen Landeshauptstadt eingebrannt – er wird nicht vergessen, wie zu oft viele andere wichtige Ereignisse in unserer Stadtgeschichte. Seit Jahren missbrauchen Rechtsextremisten den 13. Februar für Aufmärsche und Selbstinszenierung. Sie bedienen bewusst den historisch falschen und gefährlichen Mythos in Dresden, der nur der deutschen Opfer des Bombenangriffs gedenkt. Die Gründe für den 13. Februar werden ausgespart. Stattdessen wird eine ahistorische Legende bemüht. Die Pflege des Mythos der „unschuldigen Kunststadt Dresden“ ist dabei jedoch nur ideologisch motivierte Geschichtsverfälschung. Keine deutsche Stadt war ohne Schuld. Deswegen müssen wir der Instrumentalisierung und dem Missbrauch des Datums immer wieder mit Informationen und Fakten entgegentreten. Zudem braucht es die Offenheit zum Diskurs über die künftige Erinnerung an den 13. Februar.
Orte des Erinnerns erhalten und schaffen
Antifaschismus
Im Jahr 2006 haben wir uns für eine neue Gedenktafel für den Antifaschisten und Sozialdemokraten Emerich Ambros (1896-1933) eingesetzt, der im Jahr 1933 als aktiver Gegner der Nationalsozialisten verhaftet, in das KZ Hohnstein deportiert und dort ermordet wurde. Da eine frühere Gedenktafel am Weißeritzufer infolge des Hochwassers 2002 verloren ging, haben wir in Zusammenarbeit mit dem Stadtvorstand Dresden des Verbandes der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten e. V., dem Dresdner Kulturamt und der Deutschen Bahn AG die Gestaltung einer neuen Tafel und ihre Anbringung am Gebäude Weißeritzufer 50 veranlasst.
Antisemitismus
Der sinnvollste Weg zur Bewältigung von Antisemitismus ist Aufklären, Kennenlernen und zeigen, dass jüdisch-Sein in dieser Gesellschaft nichts Fremdes ist. Gemeinsam mit den Fraktionen der GRÜNEN, DIE LINKE., CDU und FDP haben wir 2020 die Einrichtung eines Jüdischen Museums in Dresden in die Wege geleitet, welches das jüdische Leben im historischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und in den böhmischen und schlesischen Gebieten dokumentieren und somit zur Bildung, interreligiösen und interkulturellen Verständigung und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beitragen soll.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
Die Geschichte von Rassismus in Dresden ist traurig und lang. In einer Stadt, in der sich 2014 die fremdenfeindliche PEGIDA-Bewegung gegründet hat und noch immer aktiv ist, ist Rassismus leider keine Randerscheinung. Dagegen gilt es, immer wieder anzukämpfen – laut und bunt. Seit Jahren beteiligt sich die SPD-Fraktion u.a. an den Internationalen Wochen gegen Rassismus. Zugleich setzen wir uns dafür ein, dass die Opfer rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt in Dresden nicht vergessen werden. Der Anschlag auf den gebürtigen Mosambikaner Jorge Gomondai am 6. April 1991 war das erste rassistisch begründete Attentat seit der Wiedervereinigung. Gemeinsam mit anderen Akteuren unserer Stadt sahen wir uns verpflichtet, ihm ein Andenken zu setzen. Nachdem im Jahr 1993 am Tatort ein Gedenkstein eingeweiht wurde, der seitdem dauerhaft als Gedenkort genutzt wird, haben wir uns 2006 mit einer interfraktionellen Initiative für die Benennung des „Jorge-Gomondai-Platzes“ eingesetzt. Bundesweit war es das erste Mal, dass ein Platz nach einem Opfer rassistischer Gewalt benannt wurde. Nur drei Jahre später wurde die Ägypterin Marwa El-Sherbini am 1. Juli 2009 im Landgericht Dresden während einer Gerichtsverhandlung ermordet. Die Motivation des Täters: Rassismus. Gemeinsam mit GRÜNEN und LINKEN haben wir 2019 erfolgreich beantragt, den Park vor dem Landgericht Dresden in „Marwa El-Sherbini Park“ umzubenennen. Ihr Andenken soll damit geehrt werden und uns daran erinnern, stets für eine weltoffene und tolerante Stadtgesellschaft und gegen Fremdenhass und Rassismus zu kämpfen.
Demokratie

Einweihung Herbert-Wehner-Platz
Ein bedeutendes Anliegen in unserer mehr als 30-jährigen Fraktionsarbeit ist die Würdigung der Verdienste des gebürtigen Dresdners und Sozialdemokraten Herbert Wehner (1906-1990). Wehner war leidenschaftlicher Parlamentarier. Seit 1949 war er Mitglied des Bundestages, hat am demokratischen Neuaufbau Westdeutschlands mitgewirkt und förderte seit 1969 maßgeblich die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition. Auf unseren Antrag hin benannte die Landeshauptstadt 2001 den Platz Seestraße/Ecke Webergasse in „Herbert-Wehner-Platz“ und erinnert damit an einen bedeutenden (Sozial-)Demokraten der deutschen Zeitgeschichte.
Seit 2012 setzen wir uns außerdem dafür ein, dass das Andenken an den Sozialdemokraten Dr. Rudolf Friedrichs (1892-1947) als erster Dresdner Oberbürgermeister und erster Sächsischer Ministerpräsident nach dem Zweiten Weltkrieg im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt wieder angemessen verankert wird. Friedrichs war ein verdienstvoller Politiker für Sachsen und geriet vor allem für seinen Einsatz für die Wiedervereinigung in scharfen Konflikt mit Teilen der herrschenden SED und der sowjetischen Militäradministration. Nachdem zwischen 1971 und 1991 die Carolabrücke seinen Namen trug, erinnert in Dresden aktuell gar nichts mehr an das frühere Stadt- und Landesoberhaupt – das wollen wir ändern.
Zeugnisse der Ostmoderne
Nachdem es uns 2018 gelungen ist, auch Zeugnisse der sogenannten Ostmoderne und des industriellen Wohnungsbaus beispielsweise in Gorbitz unter Denkmalschutz stellen zu lassen, werden wir diesen Weg weitergehen. Wir treten dafür ein, Zeugnisse der Ostmoderne ebenso zu erhalten, wie Barockdenkmäler, Gründerzeithäuser oder Neoklassiker wie das Deutsche Hygiene-Museum.
Ausgewählte Antragsinitiativen zum Thema Erinnerungskultur der letzten 30 Jahre Fraktionsarbeit:
Gegenstand | Einreicher / Datum | Beschluss |
Gedenkstein Jorge Gomondai | SPD-Antrag / eing. 15.03.1993 |
zurückgezogen |
Herbert-Wehner-Ehrung | SPD-Antrag / eing. 02.01.1997 |
beschlossen |
Texte zur Herbert-Wehner-Ehrung | SPD-Antrag / eing. 20.10.1997 |
beschlossen |
Unterstützung der Wehrmachtsausstellung durch die Stadt | IF / eing. 18.11.1997 |
beschlossen |
Herbert-Wehner-Platz | SPD-Antrag / eing. 28.02.2000, 08.06.2000 |
beschlossen |
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Dresden (1939-45) | SPD-Antrag / eing. 22.06.2000 |
abgelehnt |
Emerich-Ambros-Gedenktafel | SPD-Antrag / eing. 20.01.2006 |
beschlossen am 01.02.2006 |
Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Jorge Gomondai | IF / eing. 09.03.2006 |
beschlossen am 27.4.2006 |
Benennung einer Straße nach Arno Wend | SPD-Antrag / eing. 06.06.2006 |
beschlossen am 09.11.2006 |
Würdevolles Gedenken zum 9. November an der Synagoge | SPD-Antrag / eing. 15.01.2010 |
offen |
Oberbürgermeister Dr. Rudolf Friedrichs auch in Dresden ein Andenken setzen | SPD-Antrag / eing. 23.03.2012 |
punktweise Abstimmung; z.T. beschlossen am 27.09.2012 |
Gedenken an den Dresdner Bürger und Mäzen Dr. Justus Friedrich Güntz | SPD-Antrag / eing. 28.06.2013 |
beschlossen mit Änderung am 06.03.2014 |
Ehrung John Robert “Joe” Cocker – Namensgebung “Cocker-Wiese“ | SPD-Antrag / eing. 27.02.2015 |
beschlossen mit Änderung am 31.01.2016 |
Umgestaltung des Gedenkobelisken in Dresden-Nickern | IF GRR / eing. 03.06.2016 |
Ersetzung 03.11.2016 |
Exemplarische Zeugnisse des industriellen Wohnungsbaus schützen | IF / eing. 16.12.2016 |
beschlossen am 12.04.2017 |
Denkmale für Gorbitz | SPD-Antrag / eing. 08.08.2018 |
beschlossen mit Änderung am 06.11.2018 |
Ehrung des Andenkens an Marwa El-Sherbini | IF GRR / eing. 01.07.2019 |
beschlossen am 16.07.2020 |
Initiative für ein Museum zur Geschichte und Entwicklung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur mit Standort Dresden unterstützen | IF / eing. 02.07.2020 |
beschlossen am 22.04.2021 |
Benennungskonzept für Straßen und Plätze rund um das neue Verwaltungszentrum | SPD-Antrag / eing. 10.02.2022 |
offen |